Im Dickicht des Außenwirtschaftsrechts fliegt so manches Regelwerk „unter dem Radar“ – so auch die Verordnung (EU) 649/2012 (PIC-Verordnung) über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien. In dieser Ausgabe unserer ESG-Briefing-Reihe geben wir einen stellen wir die Anforderungen an den Ex- und Import gefährlicher Chemikalien im Überblick dar.
Hintergrund
Die PIC-Verordnung regelt den grenzüberschreitenden Handel mit gefährlichen Chemikalien. Sie setzt damit auf Unionsebene das „Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel“ von 1998 um (Rotterdamer Übereinkommen). Namensgebendes Kernstück auch der Verordnung ist die Zustimmung nach vorheriger Inkenntnissetzung – im Englischen: „prior informed consent“, kurz „PIC“. Das Rotterdamer Übereinkommen trat 2004 in Kraft. Die heute gültige PIC-Verordnung findet seit 2014 Anwendung.
Zentrales Ziel des Übereinkommens und – gemäß ihres Art. 1 Abs. 1 lit. a) – auch der PIC-Verordnung ist der weltweite Schutz von Umwelt und menschlicher Gesundheit. Im Kern ist die PIC-Verordnung darauf gerichtet, Exporte aus Industriestaaten in Entwicklungs- und Schwellenländer zu regulieren. Bei vielen unter die PIC-Verordnung fallenden Chemikalien sind EU-ansässige Exporteure daher verpflichtet, die Behörden im Empfangsstaat in Kenntnis zu setzen und ihre Zustimmung einzuholen. Dieses Verfahren soll unter anderem sicherstellen, dass die Chemikalien im Empfangsstaat sicher gehandhabt werden.
Die PIC-Verordnung ist jedoch teilweise weitreichender als das Rotterdamer Übereinkommen:
- Die von EU-ansässigen Exporteuren zu beachtenden Notifizierungs- und Zustimmungspflichten gelten für Exporte in sämtliche Nicht-EU-Staaten. Das Rotterdamer Übereinkommen hingegen verpflichtet ausschließlich die unterzeichnenden Vertragsstaaten.
- Außerdem ist der Anwendungsbereich mit Blick auf die erfassten Chemikalien weiter. Die Liste der in der EU verbotenen oder streng beschränkten Chemikalien geht über die im Rotterdamer Übereinkommen gelisteten Chemikalien hinaus.
Anwendungsbereich
Der Anwendungsbereich wird durch Art. 2 PIC-Verordnung bestimmt. Die Chemikalien, die Absatz 1 in Bezug nimmt, sind vom Anwendungsbereich der PIC-Verordnung erfasst. Die Absätze 2 und 3 hingegen beschränken den Anwendungsbereich. Im Einzelnen:
- Absatz 1 benennt die erfassten Chemikalienkategorien. Eine Liste der konkreten Chemikalien und Stoffe findet sich in Anhang I, der wiederum unterteilt ist: In Teil 1 finden sich sämtliche Chemikalien, die in der EU verboten oder streng beschränkt sind und die deswegen der Notifikationspflicht unterliegen. Teil 3 nennt die Chemikalien, die dem PIC-Verfahren des Rotterdamer Übereinkommens unterliegen. Es kommt aufgrund der Überschneidung der beiden Gruppen zu Doppelnennungen – in solchen Fällen gilt vorrangig das Verfahren des Rotterdamer Übereinkommens.
- Absatz 2 nimmt einige Chemikalien vom Anwendungsbereich der PIC-Verordnung aus, beispielsweise chemische Waffen, Suchtstoffe, oder auch Futter- und Tierarzneimittel.
- Absatz 3 wiederum schließt Ausfuhren von Chemikalien in geringen Mengen zu Zwecken der Forschung und Analyse vom Anwendungsbereich aus.
Pflichten des Aus- oder Einführers
Soweit die PIC-Verordnung Anwendung findet, besteht grundsätzlich eine Notifizierungspflicht, da diese für Chemikalien des gesamten Anhangs I gilt. Jede erstmalige Ausfuhr ist vom Ausführer an die zuständige Behörde des Mitgliedstaats seiner Niederlassung zu notifizieren.
Da auf die Notifizierung ein umfangreicher Informationsaustausch zwischen Behörden der Aus- und Einfuhrstaaten sowie europäischen und internationalen Organen folgt (näheres unten), ist die Notifizierung spätestens 35 Tage vor dem Ausfuhrdatum über das ePIC-Tool abzugeben. Die zuständige Behörde des ausführenden Staates leitet die Meldung über die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) an die zuständige Behörde des einführenden Staates weiter (der „prior informed“-Teil aus PIC).
Darüber hinaus besteht bei den dem Rotterdamer Übereinkommen unterliegenden Chemikalien des Anhangs I Teil 3 zusätzlich eine Zustimmungspflicht (der „consent“-Teil aus PIC). Im Anschluss an die Notifizierung muss daher in der Regel die Zustimmung der zuständigen Behörde des Einfuhrstaates abgewartet werden. Ausnahmen bestehen beispielsweise für Chemikalien, für deren Import ein Vertragsstaat eine allgemeine Zustimmung über das PIC-Sekretariat erklärt hat.
Schließlich gilt es für alle in Anhang I gelisteten Chemikalien, auf die vorschriftsgemäße Kennzeichnung zu achten.
Inner- und intrabehördliche Berichtspflichten
Das Rotterdamer Übereinkommen sieht zum Erreichen des Schutzes von Menschen und Umwelt einen umfangreichen intrabehördlichen Informationsaustausch vor. Zur fortlaufenden Aktualisierung der gelisteten Chemikalien sammelt das zuständige PIC-Sekretariat beispielsweise Meldungen zu Verboten und Beschränkungen von Chemikalien. Dem gleichen Zweck dienen Meldepflichten von mitgliedstaatlichen Behörden an die ECHA, welche die Meldungen wiederum gesammelt an das PIC-Sekretariat weiterleitet.
Das eigentliche PIC-Verfahren, in dem Behörden des Einfuhrstaates in Kenntnis gesetzt werden und gegebenenfalls deren Zustimmung eingeholt wird, findet ebenfalls im Austausch zwischen Behörden des Ausfuhrstaates bzw. der EU und denen des Einfuhrstaates statt. Das ausführende Unternehmen meldet an die zuständige Behörde im eigenen Land und muss nicht direkt mit den Behörden im Zielland des Exports in Kontakt treten.
Allerdings sind Zweifel mit Blick auf die gleichmäßige Umsetzung der Melde- und Zustimmungspflichten berechtigt. In jüngeren Berichten über die Durchführung der PIC-Verordnung weist die Kommission darauf hin, dass insbesondere in Nicht-Vertragsstaaten des Rotterdamer Übereinkommens die Antwortquote der zuständigen Behörden teils gering sei. Die Ausbleibende Reaktion hindert aber nicht zwingend den Export, da die zuständige Behörde des Ausfuhrstaates den Export in der Regel auch in Abstimmung mit der Kommission und ohne Mitwirkung des anderen Staates genehmigen kann.
Um- und Durchsetzung
Neben der Kommission und der ECHA sind in jedem Mitgliedstaat der EU eine oder mehrere bezeichnete Behörden für die Um- und Durchsetzung der PIC-Verordnung zuständig. Dies ist in Deutschland die bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) angegliederte Bundesstelle für Chemikalien.
Verstöße gegen die Verordnung können in Deutschland nach dem Chemikaliengesetz in Verbindung mit der Chemikalien-Sanktionsverordnung sowohl als Straf- und als auch Ordnungswidrigkeiten geahndet werden. Es besteht eine maximale Strafandrohung von zwei Jahren Freiheitsstrafe. Im Ordnungswidrigkeitenverfahren können die Bußgelder bis zu 200.000 Euro betragen.
Fazit
Die PIC-Verordnung muss von EU-ansässigen Unternehmen im globalen Chemikalienhandel beachtet werden, ihre Bedeutung sollte daher nicht unterschätzt werden. Mit einem Gesamtumsatz von rund 655 Mrd. Euro im Jahr 2023, wovon 224 Mrd. Euro auf Exporte außerhalb der EU entfielen, gehört die Branche zu den größten Industriezweigen Europas. Insbesondere auch mit Blick auf die angedrohten Sanktionen sollten Unternehmen sich daher um die Implementierung effektiver Compliance-Prozesse bemühen.
Unser ESG-Team steht mit seiner Expertise gern bereit, falls Sie rechtliche Beratung und Unterstützung benötigen. Zögern Sie nicht, Dr. Florian Wolf, Ramona Ader, Ines Florinde Horn oder Hanna Kurtz zu kontaktieren.