Bereits seit Dezember 2020 gilt in China das neue chinesische Exportkontrollgesetz. Dieses wurde zum Dezember 2024 deutlich verschärft. Insbesondere für den Export von Dual-Use-Gütern gelten durch das Inkrafttreten der neuen Verordnung zur Ausfuhrkontrolle von Gütern mit doppeltem Verwendungszweck („Dual-Use-Verordnung-CH“) deutlich höhere Anforderungen. Diese machen sich in der Praxis vermehrt bemerkbar und stellen europäische Unternehmen vor neue Herausforderungen.

Im Folgenden berichten wir von unseren Erfahrungen mit dem neuen chinesischen Exportkontrollrecht, welche wir in verschiedenen Fällen unter Zusammenarbeit mit chinesischen Kollegen gemacht haben. Wir weisen jedoch daraufhin, dass wir nicht zum chinesischen Recht beraten. Unsere Ausführungen können daher nicht als Auslegungshilfe zum chinesischen Recht verstanden werden.

Mehr Kontrolle über sensible Technologien

Mit der neuen Dual-Use-Verordnung-CH wurde der Export von Dual-Use-Gütern aus China grundlegend neu geregelt. Die neue Regelung soll eine bessere Kontrolle über sensible Technologien ermöglichen. Parallel dazu wurde eine neue Exportkontrollliste eingeführt, die neben den jeweils zum Jahresende aktualisierten Dual-Use-Katalog tritt. Beide Listen sind beim Export zu prüfen, da sie nicht zwingend deckungsgleich sind. Hinzu kommt die sog. „Catch-all“-Klausel, die auch nicht-gelistete Güter unter einen Genehmigungsvorbehalt stellt, wenn z.B. ihr Export die nationale Sicherheit oder Interessen Chinas berühren könnte.

Praktisch spürbar werden die Änderungen der Dual-Use-Verordnung-CH vor allem bei einem bereits bestehenden Instrument der chinesischen Exportkontrolle, nämlich der Endverbleibserklärung. Zwar konnten die Behörden diese schon seit Einführung des Exportkontrollgesetzes verlangen, in der Praxis wurde davon jedoch lange kaum Gebrauch gemacht. Mit der neuen Dual-Use-Verordnung-CH rückt die Erklärung vermehrt in den Mittelpunkt. Ausschlaggebend ist insbesondere eine verschärfte Re-Export Kontrolle durch Artikel 49 der Dual-Use-Verordnung-CH, der die Anforderungen an die Weiterlieferung von Dual-Use-Gütern mit Ursprung in China deutlich verschärft.

Erweiterte Re-Export Kontrolle als Herzstück der neuen Regelung

Eine zentrale Neuerung der Dual-Use-Verordnung-CH ist die Möglichkeit der chinesischen Behörden, den Transfer bestimmter Güter mit doppeltem Verwendungszweck zwischen Drittländern und ausländischen Endnutzern zu unterbinden. Ähnlich der US-amerikanischen „Foreign Product Rule“ soll damit eine weitreichende extraterritoriale Wirkung der chinesischen Exportkontrolle und dadurch eine bessere Kontrolle über besonders sensible Güter und Technologien gewährleistet werden.

Von der neuen Regelung umfasst sind:

  • Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die außerhalb Chinas hergestellt werden und bestimmte Güter mit doppeltem Verwendungszweck mit Ursprung in China enthalten, diese integrieren oder vermischen,
  • Güter mit doppeltem Verwendungszweck, die außerhalb Chinas unter Verwendung bestimmter Technologie bzw. bestimmter Güter mit doppeltem Verwendungszweck mit Ursprung in China hergestellt werden und
  • bestimmte Güter mit doppeltem Verwendungszweck mit Ursprung in China.

Vermeintlich nicht umfasst sind demnach sog. Downstream-Produkte (also Endprodukte, die z.B. durch verarbeitete Rohstoffe entstehen), es sei denn das Endprodukt ist selbst als chinesisches Dual-Use-Gut zu qualifizieren.

Eine de-minimis Regelung, wie sie sich z.B. im US-amerikanischen Exportkontrollrecht wiederfindet, gibt es im chinesischen Exportkontrollrecht nicht. Das bedeutet, dass unabhängig vom Anteil des chinesischen Produkts im Endprodukt bereits die bloße Existenz eines von der Regelung erfassten chinesischen Guts die erhöhten Anforderungen nach Artikel 49 der Dual-Use-Verordnung auslösen kann. Ob dies der Fall ist, hängt vom Produkt und Einzelfall ab.

Voraussetzung ist stets eine konkrete Maßnahme zur Umsetzung, die genau festlegt, welche Güter, Technologien und/oder Dienstleistungen betroffen sind und wer als Empfänger oder welche Region als Ziel gilt. Mit der „Mitteilung Nr. 46“ erließ das chinesische Handelsministerium (MOFCOM) bereits kurz nach Inkrafttreten der neuen Dual-Use-Verordnung eine erste solche Umsetzungsmaßnahme. Diese sieht vor, dass der Export von Dual-Use-Gütern an militärische Nutzer und das Militär in den USA vollumfänglich untersagt ist. Darüber hinaus ist auch der Export von Dual-Use-Gütern „mit Bezug zu Gallium, Germanium, Antimon oder Superhartmaterialien“ an Empfänger in den USA grundsätzlich verboten. Zusätzlich unterliegen grafitbezogene Dual-Use-Güter beim Export in die USA strengen Endverwendungsprüfungen.

Endnutzer und Importeure, die gegen die Anforderungen des Artikel 49 Dual-Use-Verordnung verstoßen, könnten zukünftig auf einer sogenannten Beobachtungsliste landen. Für dort gelistete Unternehmen gelten zusätzliche Exportbeschränkungen. Bei besonders schwerwiegenden Verstößen droht die Aufnahme in die sogenannte Kontrollliste, die im Extremfall zu einem vollständigen Handelsverbot führen kann.

Öffentlich bekannt gewordene Verstöße gegen die neuen chinesischen Re-Exportkontrollen gibt es bislang jedoch nicht.

Endverbleibserklärungen und damit einhergehende Probleme

Die verschärften Re-Exportkontrollen werfen schon bei der erstmaligen Ausfuhr aus China ihre Schatten voraus. Die chinesischen Behörden verlangen nun regelmäßig mit der Ausfuhrgenehmigung eine unterschriebene Endverbleibserklärung, mit der Unternehmen garantieren, dass die Produkte nicht entgegen den neuen Re-Export Beschränkungen weitergeliefert werden. Bei einer wesentlichen Änderung des Ziellands oder des Endverwenders ist die Beantragung einer neuen Genehmigung erforderlich. Soweit die neue Genehmigung noch nicht ausgestellt ist, gilt ein vorübergehender (Re-)Exportstopp. Chinesische Behörden können ferner Zugangsnachweise beim Empfänger sowie Versicherungen, dass der Endverbleib unverändert geblieben ist, verlangen.

Im Zuge dessen verlangen chinesische Exporteure vermehrt eine vollständige Überwachung der Lieferkette durch ihre Vertragspartner. Für viele Unternehmen ist diese Anforderung aufgrund der komplexen Lieferkettensysteme praktisch nicht erfüllbar. Hinzu kommt, dass zahlreiche chinesische Unternehmen pauschale Vertragsstrafen für den Fall eines Verstoßes verlangen, unabhängig davon, ob den Vertragspartner ein Verschulden trifft oder nicht. Grund hierfür sind unter anderem die unbestimmten Formulierungen in den chinesischen Exportkontrollgesetzen. Formelle Vorgaben bestehen von Seite der chinesischen Exekutive (noch) nicht, so dass die Lieferanten eigene Lösungen entwickeln. Auch sonst verbleibt viel im Ermessen der chinesischen Behörden. Diese Unbestimmtheit führt dazu, dass chinesische Exporteure zum Teil strengere Anforderungen an den Empfänger stellen, als rechtlich erforderlich wäre, da sie Strafen, Reputationsschäden oder sogar den Verlust der Exportlizenz fürchten. 

Zwischen AWV und Dual-Use-Verordnung-CH: Eine mögliche Compliance-Zwickmühle

Die neuen chinesischen Vorgaben werfen auch Fragen in Bezug auf deutsches Recht auf, insbesondere zu § 7 AWV, der die Beteiligung an Boykottmaßnahmen verbietet. Als Boykott werden solche Maßnahmen verstanden, mit denen die Wirtschafts- oder Finanzbeziehungen zu einem oder mehreren Betroffenen bis hin zur völligen Einstellung beschränkt werden, um eine Verhaltensänderung zu erreichen. Eine pauschale Unterzeichnung von Endverbleibserklärungen, die Lieferungen in die USA ausschließen, könnte unter Umständen als ein solcher Boykott verstanden werden.

Trotzdem sind die von § 7 AWV ausgehenden Compliance-Risiken eher gering einzuschätzen. Ein Boykott im eigentlichen Sinne liegt nicht vor. Zwar nutzt China im Wettstreit mit den USA das Exportkontrollrecht zunehmend auch als handelspolitisches Instrument. Der primäre Zweck der chinesischen Vorschriften bleibt jedoch endnutzerbezogen und dient der Exportkontrolle, nicht der Durchsetzung restriktiver Maßnahmen gegenüber einem anderen Staat. Nichtsdestotrotz sollten Unternehmen die jeweiligen Endverbleibserklärungen vor der Unterschrift sorgfältig prüfen, um Konflikte mit dem deutschen Recht zu vermeiden.

Fazit

Das neue chinesische Exportkontrollgesetz stellt europäische Unternehmen vor erhebliche praktische Herausforderungen. Neben strengen formalen Anforderungen beim Export vieler chinesischer Produkte entstehen neue Compliance-Risiken. Unternehmen sind regelmäßig verpflichtet, ihre Lieferketten vollständig zu überwachen und müssen, auch ohne eigenes Verschulden, mit hohen Vertragsstrafen bis hin zum Ausschluss aus dem chinesischen Warenverkehr rechnen. Hinzu kommt ein Spannungsfeld zu europäischen Vorgaben, insbesondere dem Boykottverbot nach der AWV. Unklare Rechtsbegriffe und weitreichende Eingriffsbefugnisse der chinesischen Behörden verschärfen die Unsicherheit. Vor diesem Hintergrund ist eine gründliche Überprüfung der eigenen Vertragsklauseln und Exportprozesse unerlässlich. Schließlich ist es entscheidend, die aktuellen Entwicklungen kontinuierlich zu verfolgen.

BLOMSTEIN wird Sie über die weiteren Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Bei außenwirtschaftsrechtlichem Beratungsbedarf stehen Ihnen Dr. Roland M. SteinDr. Laura Louca sowie das gesamte Team jederzeit gerne zur Verfügung.