Am 15. Januar ist das 4. Maßnahmenpaket zur Beschleunigung und Optimierung der Exportkontrollverfahren des Bundeministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) und des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) in Kraft getreten. Zielsetzung des Maßnahmenpaketes ist es, durch die Erweiterung bestehender bzw. die Einführung neuer allgemeiner Genehmigungen zur Ausfuhr bzw. Verbringung bestimmter Rüstungs- und Dual-Use-Güter die Anzahl anhängiger Genehmigungsanträge beim BAFA deutlich zu verringern. Zugleich sollen jene Anträge, die eine umfassende Einzelfallprüfung erfordern, schneller bearbeitet werden.
Die Rechtsnatur einer Allgemeinen Genehmigung
Ein Kernstück des Maßnahmenpakets ist der Erlass der Allgemeinen Genehmigung Nr. 44. Diese soll unter bestimmten Voraussetzungen die Bereitstellung gelisteter Dual-Use-Software via in Drittstaaten belegenen Cloud-Servern an im EU-Inland befindliche natürliche Personen genehmigen. Allgemeine Genehmigungen (AGG) sind Verwaltungsakte in Form von Allgemeinverfügungen. Fällt eine an sich genehmigungspflichtige Ausfuhr oder Verbringung von Waren unter eine AGG und erfüllt sie deren Voraussetzungen, so ist ein Genehmigungsverfahren beim BAFA nicht erforderlich. Das BAFA verzichtet vielmehr in diesen Fällen auf eine Einzelfallprüfung und erteilt vorab eine allgemeine Ausfuhr- bzw. Verbringungsgenehmigung, die sich an einen unbestimmten Personenkreis richtet. Dies hat für ausführende Unternehmen den Vorteil, dass sie für die Dauer der Gültigkeit der jeweiligen AGG eine erhöhte Planungssicherheit haben und sich die Lieferzeiten ohne eine zeitintensives Genehmigungsverfahren verkürzen. Eine Liste der derzeit gültigen AGGs des BAFA ist auf dessen Webseite abrufbar.
Die Voraussetzungen der AGG Nr. 44
Die AGG Nr. 44 soll in diesem komplexen Regelungssystem Verfahrenserleichterungen für Unternehmen bei der Übertragung von Software und Technologie auf andere Server schaffen. Sie erlaubt unter Umständen die Übertragung gelisteter Dual-Use Software oder Technologie mittels elektronischer Medien zum Zwecke der Datenspeicherung auf einen Server, der innerhalb des Hoheitsgebiets von durch die AGG zugelassenen Bestimmungsziele (z.B. USA) belegen ist. Das ist vor allem auch für junge Unternehmen, die noch über keine ausgeprägte Exportkontrolle verfügen, wichtig, wenn Dual-Use Software arbeitsteilig über mehrere Länder hinweg entwickelt werden soll.
Dabei stellt die AGG Nr. 44 u.a. folgende Voraussetzungen auf:
- Die AGG Nr. 44 umfasst nur Güter der Gattungen D und E des Anhangs I der EU Dual-Use Verordnung (EU) 2021/821 (mit Ausnahmen).
- Die Software wird ausschließlich zum Zweck der Datenspeicherung auf einen Server übertragen, der innerhalb des Hoheitsgebiets der zugelassenen Bestimmungsländer belegen ist (zulässige Bestimmungsländer sind alle EU- sowie Drittstaaten, ausgenommen jene Länder, gegen die ein Waffenembargo gilt, sowie die ausdrücklich in der AGG Nr. 44 genannten Staaten Ägypten, Afghanistan, Armenien, Aserbaidschan, China, Jemen, Pakistan, Syrien, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan).
- Die genutzten Cloud-Dienste müssen einen Mindeststandard an Informationssicherheit erfüllen, der durch den Kriterienkatalog C5 des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik festgelegt wurde.
- Die Zugriffrechte auf die auf dem Server befindliche Software dürfen nur natürlichen Personen innerhalb des EU-Zollgebiets eingeräumt werden. Diese Voraussetzung verdeutlicht: Bereits der bloße Datentransfer auf drittstaatliche Server stellt eine Ausfuhr dar, auch wenn ein Zugriff auf die Daten weiterhin nur aus dem Zollgebiet der EU möglich ist.
- Die natürlichen Personen mit Zugriffsrechten müssen bei dem Ausführer oder bei einem mit ihm konzernrechtlich verbundenen Unternehmen angestellt sein.
Das 4. Maßnahmenpaket des BMWK & BAFA im Übrigen
Das 4. Maßnahmenpaketumfasst zudem weitere Anpassungen und Neuerungen. Eine allgemeine Genehmigung besteht, sofern die einzeln in den AGG aufgelisteten Voraussetzungen erfüllt sind:
- Die Ausfuhr von Dual-Use Gütern sowie Rüstungsgütern auf Grundlage eines bestehenden Vertrags im Zusammenhang mit der Ertüchtigungsinitiative der deutschen Bundesregierung (aufgrund einer Änderung der AGG Nr. 13 bzgl. der Dual-Use Güter bzw. aufgrund einer Änderung der AGG Nr. 25 bzgl. der Rüstungsgüter). Mit der Ertüchtigungsinitiative unterstützt Deutschland ausgewählte Partnerländer mit militärischen, polizeilichen und zivilen Maßnahmen beim Aufbau eigener Sicherheitsstrukturen. Ziel ist es, die Partner in die Lage zu versetzen, Krisen eigenständig zu bewältigen.
- Die Ausfuhr bestimmter Feuerwaffen, Waffen mit glattem Lauf, Projektoren und zugehöriger Munition in Länder des EU-Zollgebiets sowie nach Island, Liechtenstein, Norwegen und in die Schweiz (aufgrund einer Änderung der AGG Nr. 33).
- Die Wiederausfuhr von Dual-Use Gütern nach Reparatur-, Wartungs- oder Austauschdiensten in Deutschland (aufgrund der Einführung der AGG Nr. 43).
- Die AGG Nr. 25, 33 und Nr. 13 sind derzeit bis 31. März 2025 gültig. Eine Verlängerung der AGG erscheint jedoch angesichts der gerade erst neuvorgenommenen inhaltlichen Anpassungen wahrscheinlich. Die beiden neu eingeführten AGG Nr. 43 und Nr. 44 sollen Stand Januar 2025 bis zum 31. März 2026 in Kraft bleiben.
Neben den AGGs des BAFA, die sich sowohl auf Rüstungs- als auch auf Dual-Use Güter beziehen, hat die EU auch AGGs erlassen. Hierzu enthält Anhang II der EU Dual-Use Verordnung in den Abschnitten A bis H eine Sammlung an AGG mit Bezug auf Dual-Use Güter, die in allen Mitgliedstaaten gelten. Aufgrund des Vorrangs des Unionsrechts genießen die AGG der EU grundsätzlich, mit geringfügigen Ausnahmen, Anwendungsvorrang vor den AGG des BAFA.
BLOMSTEIN verfolgt aufmerksam die aktuellen Entwicklungen im deutschen und europäischen Exportkontrollrecht. Bei Beratungsbedarf zu exportkontrollrechtlichen Genehmigungsverfahren sowie in allen weiteren außenwirtschaftsrechtlichen Fragestellungen beraten Sie gerne Dr. Roland M. Stein, Dr. Leonard von Rummel und Dr. Laura Louca.